5 Fragen an Sprachförderin Laura Steiner

Frau Steiner, in welchen Situationen wird Kindern langweilig?

Langeweile entsteht oft, wenn Kinder unter- oder überfordert sind oder wenn zwischen zwei Aktivitäten eine Leere entsteht. Diese Leere birgt aber auch viele Möglichkeiten, und es ist wichtig, dem Kind diese Zeit zu lassen, um von sich aus auf neue Ideen zu kommen und zu spüren, worauf es Lust hat.

Was können Eltern bzw. Pädagog:innen tun, wenn Kinder sich langweilen?

Sie können den Kindern Themen vorschlagen, die sie interessieren bzw. die an Situationen aus ihrer Lebenswirklichkeit anknüpfen. Sie können ihnen Impulse geben, Material zur Verfügung stellen. Es ist im Grunde ganz leicht, die Kreativität der Kinder zu unterstützen: Oft genügen schon Kleinigkeiten, beispielsweise Stoffreste oder Blätter, um etwas in Gang zu bringen.

Überhaupt ist Kreativität ein Schlüsselwort. Man kann sie fördern – oder auch nicht. Ausmalbilder etwa sind ein gutes Beispiel, wie man sie weniger gut fördert. Denn statt dass die Kinder selbst aktiv werden und aus ihrer eigenen Vorstellung heraus ein Bild entstehen lassen, bekommen sie eine Schablone vorgesetzt und haben obendrein oft noch Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie ihr nicht genau folgen. Dabei gehen ihre kreativen Impulse verloren.

Gibt es auch positive Aspekte von Langeweile?

Bei Kindern entsteht Langeweile, wenn ein bestimmtes Thema „ausgereizt“ und ein anderes noch nicht in Sicht ist. Es ist eine Übergangsphase, die man zulassen sollte – gerade auch, um dem Kind Gelegenheit und Zeit zu geben, neue Ideen aus sich heraus zu entwickeln, die dann auch umgesetzt werden können. Das wiederum stärkt ihre Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit, kurz, Langeweile kann auch der Ausgangspunkt ihrer Kreativität sein.

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Zu viel Programm, zu viele Kurse – das ist gar nicht so gut. Der bekannte dänische Familientherapeut und Buchautor Jesper Juul meinte einmal, wenn ein Kind zu ihm komme und sage, es langweile sich, dann würde er entgegnen: Gratuliere, da bin ich ja mal gespannt, was Du Dir jetzt einfallen lässt! – Kurz, es braucht auch die Langeweile, es braucht diese Leerstellen. Gerade im freien, ungeplanten Spiel kann etwas entstehen, und Kinder, die diese Erfahrung gewohnt sind, kommen normalerweise auch schneller in ein neues Spiel hinein.

Ist Langeweile ein Phänomen von Kindern, die gerade alleine bzw. mit Erziehenden zusammen sind? Kann sie auch in Kindergruppen auftreten?  

Sie betrifft wohl in erster Linie Kinder, die gerade alleine bzw. mit Erziehenden zusammen sind. Ich arbeite mit einer kleinen Gruppe, und dadurch, dass ich mich individuell mit jedem einzelnen Kind beschäftigen kann, kommt es nicht zu Langeweile. Aber selbst in größeren Gruppen wird den Kindern – gerade im Kindergartenalter – höchstens nur kurz einmal „fad“: Meistens finden sie schnell eine Gruppenaktivität.

Ist es durch die digitalen Medien heute nicht fast unmöglich geworden, sich zu langweilen? Wenn ja: Trifft es auch auf Kleinkinder zu? 

Mag sein, dass es durch die digitalen Medien kaum noch möglich ist, sich zu langweilen. Aber im Umkehrschluss bedeutet das: Stehen sie einmal nicht zur Verfügung, schlägt die Langeweile umso stärker durch. Das deckt sich mit meiner Beobachtung, dass Kindern, die zu Hause viel computerspielen, Youtube-Kanäle anschauen usw., tendenziell schneller langweilig wird als den anderen. Sie sind es bereits gewohnt, gleich auf einen anderen Kanal zu wechseln, statt selbst aktiv zu werden. 
Umso wichtiger ist es zu lernen, sich auch jenseits der digitalen Medien mit sich selbst beschäftigen zu können. (Was ja, nebenbei gesagt, auch ein Thema von uns Erwachsenen ist.) Wir setzen digitale Tools im Kindergarten nur ganz selektiv zu pädagogischen Zwecken ein, beispielsweise, wenn wir ihnen Clips von Bienentänzen oder zur Pilzbestimmung zeigen.

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Die in Linz geborene Mag.a Laura Steiner hat zunächst Jus und anschließend Elementare Musikpädagogik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien studiert. Sie arbeitet als Sprachförderin in einem Kindergarten in Wien.