Fünf Fragen an Museumsdirektor Peter Aufreiter

Das Thema dieser Ausgabe, Elektrizität, wo könnte es besser aufgehoben sein und aufbereitet werden als am Technischen Museum Wien? Mag. Peter Aufreiter, der – seit Jänner 2020 – neue Generaldirektor des Museums, erläutert im Gespräch, wie Kindergarten- und Schulkinder in seinem Haus an das Thema herangeführt werden, schüttelt eine kurze und bündige Definition von Strom aus dem Ärmel, erzählt uns, wie er als studierter Kunsthistoriker und Germanist mit der Welt der Technik zurechtkommt und skizziert die Leitideen, die das TMW in den kommenden Jahren prägen werden.

Herr Aufreiter, das Technische Museum Wien hat einige Führungen für Kindergarten- und Schulkinder zum Thema Elektrizität. In welcher Weise werden sie an das Thema herangeführt, was bekommen sie zu sehen?
Wir haben – in normalen Jahren – etwa 400.000 Besucher, und knapp unter 60 Prozent davon sind Kinder und Jugendliche. Es ist unser erklärtes Ziel, sie so früh wie nur möglich für technische Themen zu interessieren, indem wir diese spannend und nachvollziehbar aufbereiten. Wir tun das in mehrfacher Weise: Zum einen bieten wir zahlreiche Führungen und Vermittlungsprogramme für die verschiedenen jugendlichen Zielgruppen; zum anderen gehen wir in die Pädagogischen Akademien und die Kindergärten und führen vor, mit welchen einfachen, anschaulichen Experimenten die PädagogInnen ihren Schützlingen natürliche Phänomene und technische Lösungen verständlich machen können.
In unserem Heft „Technik kinderleicht“ für Drei- bis Sechsjährige haben wir zahlreiche Beispiele zur Erklärung von Elektrizität und Magnetismus zusammengefasst. Wie kann ich mir selbst mittels Kupferdrahtspule einen Dynamo zusammenbauen, wie funktioniert ein Magnet, wie entsteht Spannung, was bewirkt Reibung, wie stelle ich einen Stromkreis her? Das sind so einige der Fragestellungen, die mit Hilfe von leicht nachvollziehbaren Beispielen durchgespielt und erklärt werden. Die Kinder basteln mit Alltagsgegenständen wie Büro- und Wäscheklammern, Fäden, Spulen, Bechern, Magneten, Schraubenziehern, Zangen, Flachbatterien oder Glühbirnen und können einige dieser Phänomene selbst herstellen und dadurch auch erleben und verstehen. Elektrizität als solche kann man ja bekanntlich nicht sehen – ihre Auswirkungen aber schon. Das Heft, das sich in die Bereiche „Wasser“, „Technik im Alltag“ und „Mobilität“ gliedert, ist auch Grundlage für Workshops für PädagogInnen. Weitere Workshops dieser Art wenden sich an PädagogInnen, die Kinder im Volksschul- und Unterstufenalter unterrichten.
In unseren jetzigen Coronazeiten haben wir natürlich auch unsere Online-Programme stark ausgebaut – für ein technisches Museum ist das Ehrensache! Sie decken die verschiedensten Themen – von Künstlicher Intelligenz über Mitmach-Experimente bis hin zum Programmieren für EinsteigerInnen – für verschiedene Altersgruppen ab und sind großteils kostenfrei. Aber nicht ausschließlich – denn unsere TechnikvermittlerInnen führen persönlich und live durch das Programm, und eine Museumsführung kostet schließlich auch etwas! Die Programme sind sehr gut angenommen worden, während des ersten und zweiten Lockdowns hatten wir rund 90.000 Downloads!
Wir denken, dass die Online-Programme auch post Corona Sinn machen werden und beispielsweise auch der eine oder andere Workshop künftig so abgehalten werden kann – was wiederum Zeit und Anreise spart.

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Sie als Geisteswissenschaftler, zugleich als Direktor des Technischen Museums gefragt: Was ist Elektrizität? Wie erklären Sie sie einem technisch nicht versierten Laien?
Man könnte Elektrizität mit Wasser in einem Flussbett vergleichen – nur dass sie für das freie Auge nicht sichtbar und das „Flussbett“ ein Kabel ist, durch das Elektronen – geladene bewegte Teilchen – fließen. Eine Energieform wie etwa Wasser wird mittels eines Transformators, eines Dynamos oder Generators in Elektrizität verwandelt. Mechanische Energie wird, beispielsweise durch Reibung oder durch chemische Reaktionen, in Strom umgewandelt.

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Wie kommen Sie als studierter Kunsthistoriker und Germanist, der zuletzt die Nationalgalerie der Marken in Urbino leitete und davor im Belvedere beschäftigt war, mit der Welt der Technik zurecht? Oder sehen Sie sich in erster Linie als Museumsmanager?
So ist es. Ich sorge dafür, dass die Experten die passenden Bedingungen vorfinden, um Ausstellungen zu gestalten – mache aber selbst keine. Für mich ist mein Job einer der schönsten überhaupt: Die Besucher kommen nämlich nicht nur hierher, um interessante Objekte zu sehen, sondern gehen mit einer kulturellen Erfahrung reicher wieder nach Hause – genau so, wie das auch beim Besuch eines Kunstmuseums der Fall ist. Daher kommt es letztlich kaum darauf an, ob es sich um Kunst, wie bei meiner vorherigen Tätigkeit in Urbino, oder um technische Gegenstände handelt. Ein weiterer Aspekt, der mir viel Freude macht, ist die Didaktik, insbesondere in Bezug auf Kinder und Jugendliche. Als Museumsdirektor in Urbino hatte ich erstmals Gelegenheit, sie für Kunst zu begeistern. Hier versuche ich das mit der Technik.

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Sie sind seit Anfang 2020 Generaldirektor und zugleich auch wissenschaftlicher Geschäftsführer des Technischen Museums Wien. Welche Ausrichtung geben Sie ihm? 
Das Generalthema, unter das ich das Museum gestellt habe, ist die Nachhaltigkeit, wobei wir uns da eng an die in der UNO-Agenda 2030 festgelegten 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs, Sustainable Development Goals) halten. Das Bemühen um Nachhaltigkeit durchdringt alles, was wir hier am Technischen Museum tun, und ich habe alle unsere MitarbeiterInnen gebeten, Vorschläge zu machen, wie und wo wir sie im Haus erhöhen können. Wir sind auch gerade dabei, 100 Exponate auszusuchen, anhand derer wir das Thema illustrieren werden, und haben eine Ausstellung in Planung, bei der es um „Urban Mining“ gehen wird, das ist die nachhaltige Wiederverwertung von Wertstoffen. Beim Abriss von Altbauten zum Beispiel kann vieles wiederverwendet werden. Eine weitere Ausstellung namens „Food Print“, die heuer im Herbst eröffnet werden soll, wird sich mit dem CO₂- und sonstigen „Fußabdruck“ unserer Nahrung beschäftigen. Nebenbei bemerkt waren wir das erste Bundesmuseum, dem das Umweltzeichen des Ministeriums für Klimaschutz und Umwelt und damit der Titel „Grünes Museum“ zuerkannt worden ist.
In puncto Elektrizität kann Nachhaltigkeit nur heißen: erneuerbare Energiequellen. Die Thematik ist weltweit hochaktuell, es werden zahlreiche spannende technische Ansätze entwickelt – und das wollen wir auch in unserem Museum so abbilden. Wie produzieren wir Strom, bei dem möglichst wenig Energie verloren geht? Wenn wir uns nicht ausschließlich auf Großeinheiten wie Kraftwerke verlassen wollen, wie schaffen wir es, auch im Kleinen und dezentral Strom zu gewinnen bzw. rückzugewinnen? Man kann zum Beispiel aus der gespeicherten und umgewandelten Energie von Turnschuhen seinen Akku aufladen; die Energie, die auf einer Tanzfläche entsteht, könnte in umgewandelter Form die Spotlights betreiben, die diese beleuchten; auch Autos können Solardächer haben; und Ähnliches mehr. Das sind Themen, die auch für Kinder und Jugendliche packend sind, weil sie aus unser aller Lebenswelt stammen. Wir haben auch vor, einen „Energie Harvesting“-Wettbewerb ins Leben zu rufen, wo wir sie ermuntern wollen, nach neuen alltagstauglichen Lösungen zu suchen.
Das Schöne am TMW ist ja, dass fast jedes technische Objekt irgendwann einmal brandneu und innovativ war. Ich sehe das als Auftrag, das Haus nicht zu sehr zu „musealisieren“, sondern vor allem auch die Verbindungen zur Gegenwart und zu den aktuellen Fragestellungen herauszuarbeiten. So etwa in Sachen Mobilität: Die ersten Batterien gehen aufs frühe 19. Jahrhundert zurück, und Elektroautos hat es schon vor 120 Jahren gegeben, sogar das Prinzip des Radnabenmotors, wie er jetzt in verschiedenen Bussen, Fahrrädern und Autos zum Einsatz kommt. Auch das Thema Röntgen, um ein weiteres Beispiel zu nennen, reicht bis in die Gegenwart hinein. Wir haben eines der ältesten Röntgeräte überhaupt in unserer Sammlung, und die Technologie ist bekanntlich nach wie vor im täglichen medizinischen Gebrauch. Aber nicht nur das, das Prinzip der Röntgenstrahlung wird heute auch in der Weltraumtechnologie, insbesondere bei der Erforschung von Schwarzen Löchern, angewandt.

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Haben Sie das eine oder andere Lieblingsexponat in Ihrem Haus? 
Nicht ein spezielles Lieblingsobjekt, aber als Kunsthistoriker fasziniert es mich, wie viel Wert bei technischen Geräten früher auf die Ästhetik gelegt wurde. Ich habe in meinem Büro eine gusseiserne Dampfmaschine stehen, ein wahres Kunstwerk aus Funktionalität und Ästhetik! Ein echtes Prunkstück, das ebenfalls beides verbindet, ist auch die 12.10 aus den dreißiger Jahren, die wir im Vorjahr frisch restauriert ins Haus gebracht haben. Die 12.10 war die größte, schwerste, stärkste und schnellste Dampflok, die hierzulande je gebaut wurde. Klar, dass sie auch das schwerste Objekt unseres Hauses ist. Sie steht jetzt, als letztes erhaltenes Exemplar ihrer Art, in der Westhalle. Von der Nachhaltigkeit her war die 12.10 übrigens gar nicht so übel: Sie konnte 200 Menschen transportieren, und wir haben ausgerechnet, dass sie bei der Strecke Wien-München einen günstigeren CO₂-Fußabdruck hinterlässt, als wenn die gleiche Anzahl Menschen dafür das Flugzeug nehmen.  

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Der 1974 in Linz geborene Mag. Peter Aufreiter ist seit 1. Jänner 2020 der neue Generaldirektor des Technischen Museums Wien sowie der Österreichischen Mediathek. Der Kunsthistoriker und Germanist startete seine Karriere im Jahr 2003 im Sigmund Freud Museum Wien, war anschließend für das Kunsthistorische Museum tätig und wechselte 2008 an die Österreichische Galerie Belvedere. Dort leitete er die Abteilung Ausstellungsmanagement und war ab 2011 als Hauptabteilungsleiter auch für Leihgaben, Depotverwaltung und die Artothek des Bundes verantwortlich. 2015 übernahm er die Führung der Galleria Nazionale delle Marche in der Stadt Urbino.
Der Kulturmanager Peter Aufreiter möchte die erfolgreiche Arbeit des Museums fortsetzen und dieses verstärkt auf Themen unserer Zeit und deren entsprechende Aufbereitung hin ausrichten. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Bereichen Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Innovation.

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